Kritischer Rationalismus

Informationswissenschaft und Sprachtechnologie im Diskurs

Esther Seyffarth, Linda Schaffarczyk
27.01.2016

Themenüberblick

  • Karl Popper
  • Kritischer Rationalismus im Überblick
  • Induktion und Deduktion
  • Abgrenzungsproblem
  • Falsifizierbarkeit
  • Kausalität
  • Objektivität und Subjektivität

Karl Popper

Karl Popper

  • * 28. Juli 1902 (in Wien)
  • † 17. September 1994
  • schloss 1924 Tischerlehre mit Gesellenbrief ab
  • Kontakt mit Wiener Kreis, war jedoch kein Mitglied
  • lehrte von 1930 - 1935 als Hauptschullehrer
  • heiratete 1930 seine Kollegin Josefine Anna Henninger
  • 1965 von Königin Elisabeth II zum "knight Bachelor" geschlagen (Sir Karl Popper)
  • Veröffentlichte 1934 das Buch Logik der Forschung in dem er seine Wissensschaftstheorie umfassend darlegte
  • Studium 1920er Jahre (Doktor in Philosophie)

Kritischer Rationalismus (1/2)

  • Eine nichtinduktionslogische Erkenntnistheorie, entwickelt vor allem von Karl Popper in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
  • Streng logische, dogmenfreie Herangehensweise an wissenschaftliche Fragestellungen
  • Durch die Ablehnung der Induktion ist die Verifikation von Aussagen unmöglich; Aussagen können nur falsifiziert werden!

Kritischer Rationalismus (2/2)

  • Falsifikation ermöglicht das Finden der "haltbarsten" Erklärung für Phänomene
  • Klare Trennung zwischen Erkenntnispsychologie und Erkenntnislogik: Subjektive Erlebnisse werden als nicht empirisch-wissenschaftlich angesehen

Induktion und Deduktion (1/2)

  • Empirische Wissenschaften folgen (unberechtigt?) der induktiven Methode (Schluss von besonderen Sätzen auf allgemeine Sätze)
  • Induktionsproblem: Frage, ob und wann induktive Schlüsse berechtigt sind
  • Typisches Beispiel: "Alle Schwäne sind weiß."
  • Notwendig: Ein Induktionsprinzip, das ermöglicht, induktive Schlüsse logisch zulänglich zu machen

Induktion und Deduktion (2/2)

  • Der Kritische Rationalismus lehnt ein solches Induktionsprinzip ab: Das Induktionsprinzip kann kein allgemeiner Satz sein, weil allgemeine Sätze nicht induktiv gerechtfertigt sind usw.
  • Auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse werden abgelehnt
  • Wissenschaftliche Theorien werden nicht durch Induktion aus Beobachtungen gewonnen; sie sind das Ergebnis eines kreativen Denkprozesses z.B. durch Intuition oder Versuch und Irrtum

Induktion und Deduktion (1/2)

  • Poppers Auffassung: "Lehre von der deduktiven Methodik der Nachprüfung"
  • Trennung zwischen Erkenntnispsychologie und Erkenntnislogik: Das Aufstellen von Theorien fällt in den Bereich der Psychologie, das Überprüfen in den Bereich der Logik
  • "schöpferische Intuition" ist nicht logisch
  • Vorgang der Deduktion: Aus einer Hypothese werden logisch Folgerungen abgeleitet, die verglichen und bezüglich ihrer logischen Beziehungen analysiert werden

Induktion und Deduktion (2/2)

  • Praktische Gültigkeit der Folgerungen wird durch die empirische Anwendung geprüft, z.B. in Experimenten oder technischer Umsetzung von Ideen
  • Wichtig: leicht nachprüfbare, anwendbare, singuläre Folgerungen
  • Im Erfolgsfall wird das System nicht verworfen, bei negativen Ergebnissen einzelner Prüfungen wird das gesamte System falsifiziert

Abgrenzungsproblem (1/2)

  • Gesucht: Ein Kriterium, durch das die empirische Wissenschaft von Mathematik und Logik, aber auch von "metaphysischen" System abgegrenzt werden kann
  • Bezug auf Hume, Kant, Wittgenstein
  • Induktionsmethode laut Popper nicht geeignet
  • Metaphysik: nicht empirisch-wissenschaftlich

Abgrenzungsproblem (2/2)

  • Naturgesetze sind nicht logisch auf elementare Erfahrungssätze zurückführbar und würden somit nach Wittgenstein auch als Metaphysik eingeordnet und abgelehnt werden
  • Poppers Antwort: Klare Definitionen von Metaphysik und Wissenschaft - letztendlich eine intuitive, nicht logische Entscheidung

Wahrheitsnahe Theorien

  • Theorien lassen sich nicht auf ihre Wahrsheitsnähe untersuchen, man kann jedoch Theorien vergleichen und feststellen, dass eine Theorie wahrheitsnäher ist als eine andere
  • Überprüfen einer Theorie ist immer doppelt relativ:
    • relativ zum Stand des derzeitiges Beobachtungswissens
    • relativ zum Stand der derzeitigen Alternativtheorien

Falsifizierbarkeit

  • Verbreitete Ansicht: empirisch-wissenschaftliche Sätze müssen endgültig entscheidbar sein, sowohl ihre Verifikation als auch ihre Falsifikation muss logisch möglich sein
  • Popper: Verifikation von Aussagen ist logisch unzulässig!
Die logische Form des Systems soll ermöglichen, dieses auf dem Wege der methodischen Nachprüfung negativ auszuzeichnen: Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können.

Kausalität

  • Kausale Erklärung eines Vorgangs: einen Satz, der den Vorgang beschreibt, deduktiv aus Gesetzen und Randbedingungen ableiten
  • Zusammenwirken von Hypothesen (allgemeinen Sätzen) und Beobachtungen (besondere Sätze)
  • Kausalsätze behaupten, dass jeder beliebige Vorgang kausal erklärt, also prognostiziert, werden kann
  • Popper nennt solche Sätze metaphysisch und lehnt die daraus entstehenden Tautologien ab

Objektivität und Subjektivität

  • Bei Kant: wissenschaftliche Erkenntnisse sind objektiv, wenn ihre Begründungen von jedem Menschen nachgeprüft und eingesehen werden können
  • Popper: Objektivität = Intersubjektive Nachprüfbarkeit und Reproduzierbarkeit
  • Subjektive Überzeugungen werden klar von wissenschaftlichen Begründungen abgegrenzt
  • Besonderheit bei Popper: Keine Verifizierung nötig, sondern nur Nachprüfbarkeit

Prüfbarkeit

Jeder empirisch-wissenschaftliche Satz muss durch Angabe der Versuchsanordnung u. dgl. in einer Form vorgelegt werden, dass jeder, der die Technik des betreffenden Gebietes beherrscht, imstande ist, ihn nachzuprüfen.
  • Bei Zweifeln muss eine Gegenbehauptung mit neuen Prüfungsanweisungen aufgestellt werden
  • Der empirische Gehalt einer Theorie wächst mit ihrem Falsifizierbarkeitsgrad

Kritischer Rationalismus auf einen Blick

  • Induktion wird abgelehnt
  • Deduktion und Falsifizierbarkeit sind zusammen eine gute wissenschaftliche Grundlage
  • Intersubjektivität und Nachprüfbarkeit ermöglichen es, die Gültigkeit von Sätzen zu bewerten
  • Klare Trennung von psychologischen und logischen Schlüssen

Kritischer Rationalismus und Informationswissenschaft

  • Empirische Informationswissenschaft
  • Umfragen, Studien etc.
  • Subjektive Wahrnehmung (z.B. Relevanz)
  • Problem: Oft Induktion oder subjektive Themen

Kritischer Rationalismus und Computerlinguistik

  • Unfalsifizierbare Theorien
    • Universal Grammar
    • Grammatikalitätsurteile
  • Falsifizierbare Theorien
    • Korpuslinguistisch untersuchbare Phänomene
    • Formale Sprachen und Abgeschlossenheitsbedingungen

Diskussion

  • Ist es gerechtfertigt, auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse abzulehnen?
  • Was ist der Wert einer Theorie, die nie endgültig wahr sein kann, sondern sich nur vorläufig bewährt, bis sie sich als falsch erweist?
  • Ist Objektivität wirklich das gleiche wie Intersubjektivität?
  • Wird in den Veröffentlichungen der InfoWiss/Linguistik auf die nachprüfbare Darstellung von Deduktionsketten und auf die Reproduzierbarkeit von Studien/Experimenten geachtet?

Quellen