Der Pfefferdieb

 

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Die wichtigsten Personen

Hannes (11):
Küchenjunge
und Freund von
Jakob und Agnes

Agnes (10):
Tochter des
Gewürzkrämers
Josef Steinhaus

Jakob (10):
Sohn des
“Drei Kronen”-Wirtes
Jakob “Köbes” Brauer

Ein wenig aus dem zweiten Kapitel
(Wie es dazu kommt, dass Hannes verdächtigt wird,
der Pfefferdieb zu sein):

Oben im Flur seines Hauses stand der Gewürzkrämer vor seinen beiden Knechten und schimpfte.
"Was? Verloren? Zum Donnerwetter! Das ist ja wohl ...! Auf der Stelle geht ihr zum Hafen zurück und sucht!"
Kleinlaut verschwanden Max und Paul durch die Haustür. Agnes schaute ihren Vater fragend an. In diesem Moment kam Adelgunde Steinhaus in den Flur gerauscht und keifte los: "Ich hab es ja immer gesagt!"
Sie trug ein vornehm raschelndes Kleid, für das viel Stoff gebraucht worden war. Sie war nicht gerade schlank. Und es war sehr teurer Stoff, denn sie zeigte gern ihren Reichtum. Normalerweise benahm sie sich auch sehr geziert, aber wenn ihr etwas nicht passte, dann sagte sie es. Und das sehr laut.
"Ich hab es ja immer gesagt! Irgendwann verlierst du noch mal ein Vermögen vor lauter Dummheit! Wie konntest du diesen Knechten vertrauen? Taugenichtse, alle beide. Nichtnutze! Faulenzer!" Ihr Doppelkinn zitterte vor Empörung. Agnes verkniff sich ein Lachen.
"Adelgunde, bitte! Nicht so laut!" Josef Steinhaus versuchte seine Frau zu besänftigen. "Du weißt genau, dass die beiden schon lange für mich arbeiten und ich ihnen vertrauen kann!"
"Pah!", machte Adelgunde.
Da kamen Max und Paul außer Atem durch die Tür gepoltert und berichteten, dass das Lagerhaus völlig leer sei. Der Pfeffersack sei nirgends zu finden.
Bestürzt begriff Agnes: Der Pfeffer war weg!
"Diebe!", keifte Adelgunde. "Ich hab es ja ..."
"Habt ihr auch wirklich überall nachgesehen?", unterbrach der Gewürzkrämer seine Frau.
"Ja, haben wir", erklärte Paul etwas umständlich. "Der Sack ist weg. Er ist nicht im Hafen, weder im Lagerhaus noch davor. Aber wir konnten nicht ..."
"Diebe!", unterbrach Adelgunde ihn schimpfend. "Räuberpack! Agnes! Agnes, komm sofort her! Wo ist dieses Kind?"
Agnes stand direkt hinter ihrer Mutter.
"Hier bin ich!", sagte sie. Adelgunde wirbelte herum.
"Aha. Du gehst jetzt sofort einen Stadtknecht holen. Wollen doch mal sehen, ob wir die Diebe nicht fassen!" Adelgunde blitzte Max und Paul an.
Josef Steinhaus warf einen Blick auf seine beiden erschrockenen Knechte und schüttelte den Kopf. Dann sagte er zu Agnes: "Ja, bitte, tu das! Wir müssen den Sack einfach finden! Ich verliere sonst ein Vermögen! Wie soll ich die Bestellungen einhalten? Allen voran die für die Burgküche?"
Agnes lief besorgt aus dem dunklen Flur nach draußen in den strahlenden Sonnenschein.
Auf dem Marktplatz herrschte inzwischen ein ziemliches Gedränge. An den Marktständen standen die ersten Käufer. Ein Quacksalber pries lautstark Salben, Pillen, getrocknete Krötenaugen gegen Kurzsichtigkeit und Pfeffermilch gegen Halsschmerzen an. Hühner gackerten in großen Körben, Schweine wühlten auf dem Lehmboden nach Abfall und Hunde liefen herum.
Vor dem Haus des Silberschmieds entdeckte Agnes einen Stadtknecht. Er sah nicht besonders freundlich aus, aber sie versuchte trotzdem ihr Glück.
"Ich kann hier nicht weg", wimmelte er sie ab. "Ich muss den Silberschmied vor Dieben schützen. Du siehst doch selbst, was hier los ist."
Als er aber hörte, dass der reiche Gewürzkrämer ihn dringend brauchte, willigte er schließlich knurrend ein.
Agnes fand ihre Eltern im Kontor hinter dem Gewürzladen. Adelgunde keifte nicht mehr. Josef Steinhaus saß an seinem Kontortisch und hatte die Hände vor sein Gesicht geschlagen.
"So viel Geld!", murmelte er. "Einfach weg! Was mach ich jetzt nur?"
Adelgunde kniff die Lippen zusammen und schaute grimmig auf ihren Mann.
Der Stadtknecht ließ sich berichten, was geschehen war, und zuckte dann die Schultern.
"Wie soll ich bei den vielen Fremden in der Stadt euren Dieb finden?", fragte er. "Bei dem Gewimmel? In drei Tagen nach dem Jahrmarkt ist es besser. Bis dahin ist der Sack ja vielleicht auch wieder aufgetaucht."
"Wann hast du denn den Pfeffer eigentlich zuletzt gesehen?", fragte Agnes ihren Vater. Neugierig wie sie war, purzelte die Frage wie von selbst aus ihrem Mund. Aber dann hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen!
"Hannes hat ihn ins Lagerhaus getragen", antwortete ihr Vater. "Ich habe ihm noch gesagt, er soll vorsichtig damit sein, weil er so teuer ist. Das war das letzte Mal."
"Was, dieses Früchtchen?", schimpfte Adelgunde los.
"Hannes ist kein ...", wollte Agnes ihren Freund verteidigen, aber ihre Mutter keifte schon weiter. "Dann ist dieser kleine Taugenichts bestimmt der Dieb! Was kann man schon von einem Kind erwarten, das ohne Eltern aufwächst? Keine Erziehung, weiß nicht, was Recht und was Unrecht ist. Glaub mir, Josef, dieser Bengel ist der Dieb. Du hättest ihm nicht sagen dürfen, wie teuer der Pfeffer ist."
"Das ist doch alles Unsinn!", sagte ihr Mann entrüstet.
Aber der Stadtknecht wurde hellhörig. "Ist das möglich?", fragte er den Gewürzkrämer. "Kann es dieser Hannes gewesen sein?"
Josef Steinhaus schüttelte den Kopf. "Nein!", sagte er bestimmt.
Agnes kochte vor Zorn. "Niemals!", rief sie. "Hannes war es bestimmt nicht!"
"Ach, was weißt du schon?" Adelgunde funkelte ihre Tochter an. "Du hältst ja immer zu deinen Freunden. Hör nicht auf sie, Josef. Lass den Burschen in den Turm bringen, bis er die Wahrheit sagt."
Josef Steinhaus schüttelte wieder den Kopf. "Nein, nein, das wird nicht nötig sein", sagte er energisch. "Hannes ist bestimmt kein Dieb."
Der Stadtknecht wurde unruhig.
"Entschuldigt, Meister Steinhaus", sagte er. "Aber ich muss zurück zum Silberschmied. Wir können ja in drei Tagen noch einmal darüber reden, wenn die Fremden wieder aus der Stadt sind. Inzwischen könnt Ihr Euch vielleicht um diesen Hannes kümmern und ihn befragen." Damit verabschiedete er sich und Adelgunde begleitete ihn hinaus. Dabei wiederholte sie lautstark ihren Verdacht gegen Hannes.
"Hannes ist kein Dieb!", sagte Agnes, als sie mit ihrem Vater allein war. "Aber der Stadtknecht wird Mutters Verdacht bestimmt in der Stadt herum erzählen. Wir müssen was dagegen tun."
"Was willst du denn schon ausrichten?", fragte Josef Steinhaus müde.
"Ich will den Sack finden!", sagte seine Tochter energisch, "Vielleicht ist er ja nur verloren gegangen. Dann kann ich beweisen, dass Hannes unschuldig ist. Jakob wird mir bestimmt dabei helfen. Und Kinder fallen nicht so auf", fügte sie hinzu, "wenn sie überall ein bisschen herumsuchen."
Agnes stand entschlossen vor ihrem Vater. Der musste trotz aller Sorgen lächeln. "Du kannst es versuchen, Kind. Es wäre eine große Erleichterung, wenn der Sack wieder auftaucht. Übrigens kommt er diesmal von Gieronimo. Du kennst ja sein Zeichen, das G mit dem Krönchen."
"Ja, das kenne ich!", sagte Agnes. "Und ... Aber ..."
"Ja, ja, ich weiß. Deine Mutter übernehme ich."
Sie sahen sich an wie zwei Verschwörer und dann lief Agnes schnurstracks zu Jakob. Sie wusste genau, wo sie mit der Suche beginnen wollte.
 

© Illustrationen Volker Fredrich

 

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Christa Holtei (Text), Volker Fredrich (Illustration).
Der Pfefferdieb.
Ein Mitratekrimi aus dem Mittelalter.
München: dtv junior 2006. 4. Aufl. 2009.
168 Seiten, Euro 6,50, ab 10 Jahren,
ISBN 3-423-71178-7

Unterrichtsmodell
für die 4.-6. Klasse:

Auch auf Türkisch

Auch als Hörbuch